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UBP in der Presse 20.01.2021

«Das Fed lässt keinen zu starken Zinsanstieg zu»

«Das Fed lässt keinen zu starken Zinsanstieg zu»

Finanz und Wirtschaft (19.01.2021) - Norman Villamin, CIO Wealth Management von Union Bancaire Privée, hält die Furcht vor deutlich höheren  Zinsen für verfrüht. Er zieht Bergbautitel den Bankaktien vor.


1. Herr Villamin, der Sturm auf das US-Kapitol hat die USA erschüttert. Welche Bedeutung messen Sie dem Vorfall zu?

Er könnte langfristig weitreichende Folgen haben. Es war schon länger zu beobachten, dass sich die zentristische Natur der USA ändert und die Polarisierung zunimmt. Der Angriff aufs Kapitol hat den Prozess beschleunigt.

2. Was bedeutet das für den Rest der Welt?

Für Europa ist es ein Weckruf, seine Aussen- und Wirtschaftspolitik eigenständig zu gestalten, ohne sich auf die USA zu verlassen. An der Debatte über das Investitionsabkommen der EU mit China hat man erkennen können, dass Europa sich noch nicht für die eine oder andere Seite in der bipolaren Welt entschieden hat und einen eigenen Weg sucht. 

3. Die USA sind also kein verlässlicher Partner mehr für Europa, aber trauen Sie dem alten Kontinent diesen Alleingang zu? 

Rein ökonomisch ist Europa etwa gleichbedeutend wie die USA. Die überraschend schnelle Einigung auf einen Wiederaufbaufonds hat gezeigt, dass die EU fähig ist, eigene Lösungen zu finden. Zuvor war Europa in schwierigen Zeiten handlungsunfähig und auf Hilfe der USA und deren Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik angewiesen. 

4. Wie ist die positive Reaktion der Finanzmärkte auf die Senatswahlen in Georgia zu interpretieren?

Im Senat ist die Sitzverteilung nun fünfzig zu fünfzig. Das ist weit entfernt von einem blauen Erdrutschsieg, wie im Oktober vor den Präsidentschaftswahlen erwartet. Mit dieser knappen Mehrheit können die Demokraten zwar die Ausgaben erhöhen, aber höhere Unternehmenssteuern haben es schwer. Zuerst werden die Hilfschecks von 600 auf 2000 $ pro Kopf erhöht. Das überbrückt die Zeit, bis die Impfung genug weit fortgeschritten ist und die Wirtschaft wieder Tritt fasst. Zudem gewinnt man Zeit für ein grosses Infrastrukturprogramm. Damit fällt der Fiskalstimulus in den kommenden drei bis sechs Monaten viel höher aus als bisher angenommen.

5. Die steigenden Anleihenrenditen spiegeln diese Zuversicht. Wann werden höhere Zinsen zum Problem?

Der jüngste Zinsanstieg bei Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten ist unbedenklich, weil gleichzeitig die Renditeaufschläge gesunken sind. Heikel wird es erst, wenn auch die Renditen von Unternehmensanleihen zwischen 0,5 und 1 Prozentpunkt steigen.

Denn die Verschuldung hat im vergangenen Jahr markant zugenommen, und höhere Finanzierungskosten könnten am Markt die Angst vor einer Solvenzkrise wie im vergangenen März auslösen.

Auch der Immobiliensektor, der eine wichtige Rolle in der Erholung der Wirtschaft spielt, verträgt keine höheren Hypothekarzinsen.

6. Droht schon bald ein Szenario wie 2013, als die Angst vor dem Tapering, bzw. der Reduktion der Wertpapierkäufe die Märkte in Aufruhr versetzte?

Davon sind wir noch weit entfernt. Wer jetzt von Tapering-Ängsten spricht, verkennt, dass die US-Notenbank nicht mehr in erster Linie die Inflation im Blick hat, sondern den Arbeitsmarkt. Und dort ist die Lage weiterhin sehr angespannt. Im Dezember wurden sogar wieder Stellen gestrichen. Ich glaube deshalb nicht, dass das Fed wegen etwas höheren Inflationsraten sofort den Fuss vom Gas nimmt. 

7. Was heisst das konkret für die US-Zinsen?

Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen wird nicht weit über 1 bis 1,5% steigen. Wenn die Langfristzinsen stark anziehen, wird das Fed mehr Anleihen mit langer Laufzeit kaufen und eine Art Zinskurvenkontrolle nach EZB-Vorbild einführen.

8. Durch den Zinsanstieg ist auch die Zinsstruktur-Kurve steiler geworden. Inwieweit hilft das den Banken?

Viele Anleger glauben, dass die Zinskurve die entscheidende Grösse für die Ertragslage der Banken ist. Aber fragen Sie einmal die Banker selbst, da klingt es anders. Eine steilere Zinskurve löst das Problem der Banken nicht, es ist höchstens eine notwendige Bedingung aber keine hinreichende. Entscheidend vor allem für europäischen Institute ist die Entwicklung der faulen Kredite. Wenn die Fiskalstimuli wirken, sinkt die Quote der notleidenden Kredite. Erst dann erholen sich die Banken und können wieder eine Dividende ausschütten.

9. Sind Bankaktien derzeit also ein Kauf?

Es gibt bessere Instrumente, um auf eine zyklische Erholung zu setzen. Zum Beispiel Bergbautitel, dort ist die Verschuldung niedrig und die Bilanzqualität hoch. Über kurze Dauer können sich die Kurse der Bankaktien kräftig erholen und den Anlegern kurzfristige Gelegenheiten bieten. Aber auf zehn Jahre hinaus möchte ich solche Titel nicht im Depot haben, weil die Branche vor zahlreichen strukturellen Herausforderungen steht. 

10. Welche sind das?

Die Digitalisierung der Währung. Dadurch entfällt die Rolle der Bank als Intermediär. Niemand mehr wird Geld auf einer Bank mit Gegenparteirisiko haben, wenn man es auch direkt bei der Zentralbank halten kann. Für die Zahlungsabwicklung und die Vermögensverwaltung  haben die Banken  mehr und mehr an Bedeutung verloren, während Fintech-Unternehmen  in diesen Bereichen immer besser werden. Für traditionelle Banken bleibt eigentlich nur noch das margenschwache Kreditgeschäft mit Unternehmen übrig. 

11. Als «Value-Play» sind auch Energieaktien beliebt. Aber haben Ölwerte angesichts der Klimaproblematik noch eine Zukunft?

Die Situation ist mit dem stationären Einzelhandel um die Jahrtausendwende vergleichbar. Damals hiess es, Amazon würde durch disruptive Technologien den stationären Einzelhandel verdrängen. Aber einige haben sich angepasst und überlebt. So wird es auch im Energiesektor sein. Die Zukunft gehört den Erneuerbaren, aber es wird zwischendurch zyklische Erholungen bei den Ölvaloren geben. Diejenigen Konzerne, die sich am schnellsten anpassen, werden Erfolg haben. Was ich keinesfalls kaufen würde, ist ein ETF auf den Energiesektor. In einem Sektor, der durch neue Technologien verändert und umgepflügt wird, will man kein passiver Investor sein.

12. Was ist Ihrer Meinung nach das grösste Risiko für die Finanzmärkte 2021?

Die politischen Entscheidungsträger haben sich nicht nur bis zum Eintreten einer Erholung zu Fiskalstimuli verpflichtet. Die Transformation der Volkswirtschaften ist in vollem Gange und ist ein Risikofaktor, der unterschätzt wird. Es besteht die Gefahr, dass in der EU der gemeinsame Kampf gegen die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie nicht zu Ende geführt wird. Die 750 Mrd. € im EU-Wiederaufbaufonds sind ein Anfang, aber noch nicht genug. Wenn keine weitere Massnahmen getroffen werden, droht bei den nächsten Wahlen ein Aufstieg der Populisten.

13. Wie sieht denn eine optimale Asset Allocation zu Beginn des Jahres 2021 aus?

Man sollte die Aktienquote etwas höher halten als strategisch vorgesehen. Nicht nur weil die Gewinnaussichten 2021 grossartig sind, sondern auch weil man Anleihen untergewichten muss. Denn sie bieten kaum oder sogar negative Rendite, und verlieren schon beim kleinsten Zinsanstieg an Wert.

14. Was ist mit der zu beobachtenden Rotation von Growth zu Value?

Die simple Kategorisierung in Wachstum- und Substanzaktien greift zu kurz. Was macht Value-Legende Warren Buffett? Er setzt auf Apple.

Solche transformativen Wachstumstitel aus dem Tech- und Gesundheitssektor haben auch in unserem Portfolio nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Als Reaktion auf die zyklische Erholung kommen jetzt vermehrt Aktien mit Value-Charakter dazu, zum Beispiel Valoren aus dem Bergbau und der Industrie, wo es auch Firmen gibt, die den Sektor mit neuen Technologien umwälzen. Deshalb mögen wir japanische Nebenwerte. 

15. Und was ist mit Gold?

Gold ist eine Anlage zur Werterhaltung, vor allem aus Sicht von Dollarinvestoren. 

16. Der Dollar hat sich jüngst stabilisiert und sogar leicht aufgewertet. Steht auch hier eine Trendwende bevor?

Nein, die Gegenbewegung ist eine gute Gelegenheit, um Dollar zu verkaufen.

17. Und wie beurteilen Sie Kryptowährungen?

Ich sehe sie als eine Call-Option auf ein neues Finanzsystem, das das bisherige dollarzentristische System mit sicheren Häfen wie den Schweizer Banken ablöst. Die Frage ist, wie dieses zukünftige System aussehen wird. Sicher ist nur, dass es in einem digitalen Rahmen stattfinden wird.  

18. Hat das Interesse Ihrer Kunden an Bitcoin zugenommen und wie unterscheidet es sich von Ende 2017. 

Damals war es reine Spekulation und war vom Momentum getrieben. Jetzt aber kommt hinzu, dass die vermögenden Kunden mit Minuszinsen bei Cash und negativ rentierenden Bonds konfrontiert sind und die Aktien hoch bewertet sind. Auf der Suche nach Alternativen werden sie sehr kreativ und stossen dabei notgedrungen auch auf Kryptowährungen.


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Norman Villamin
CIO Wealth Management
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