Nicolas Faller sprach mit Finanz und Wirtschaft über die jüngsten Veränderungen in der Investitionslandschaft, insbesondere auf den Privatmärkten, und darüber, welche Auswirkungen diese in Verbindung mit der einzigartigen wirtschaftlichen Lage der Schweiz auf die Investitionsströme haben.
Herr Faller, wie hat die geopolitische Unsicherheit der vergangenen Jahre das Verhalten von institutionellen Investoren geprägt?
Die geopolitische Lage ist nicht unbedingt der Hauptfaktor hinter strategischen Anlageentscheidungen von institutionellen Investoren. Im Jahr 2022 sahen wir das Ende der Nullzinspolitik nach einem Inflationsanstieg. Diese Zinswende hatte beispielsweise einen viel grösseren Einfluss auf das Anlageverhalten institutioneller Investoren, denn selbst wenn sie eine Zinswende erwarteten, wurden sie doch von der Abruptheit und der Stärke des Zinsanstiegs überrascht.
Welche Auswirkungen hatte dies?
Zuvor floss viel Geld in Privatmärkte. Mit der starken Korrektur festverzinslicher Wertpapiere als Folge des Zinsanstiegs geriet die Allokation dann aus dem Gleichgewicht, und die institutionellen Investoren überschritten ihre Limiten für Private Markets.
Wieso?
Das ist auf den Denominatoreffekt zurückzuführen. Privatmarktanlagen sind nicht kotiert und werden folglich nicht ständig neu bewertet. Das ist übrigens auch ein Grund der Attraktivität von Privatmärkten: Sie reduzieren die Volatilität des Gesamtportfolios. Wenn jedoch kotierte Wertpapiere stark korrigieren, gewinnen Private Assets relativ an Gewicht im Portfolio. Daher mussten die Institutionen Aktien verkaufen, um Anleihen zu attraktiven Preisen zurückzukaufen und den kotierten festverzinslichen Teil wieder auf ein höheres Niveau als die privaten Märkte zu bringen.
In der Schweiz haben wir nun aber bereits wieder Nullzinsen. Konzentrieren sich Schweizer Pensionskassen dadurch verstärkt auf globale Anleihen?
Das ist etwas die Zwickmühle für Schweizer Institutionen. Den Fokus auf globale Anlagen in Dollar zu verschieben, wäre grundsätzlich die logische Folge. Doch es ist unwahrscheinlich, dass der Dollar in naher Zukunft wieder an Stärke gewinnt. In anderen Worten: Zwar rentieren festverzinsliche Investment-Grade-Anleihen in Dollar besser als solche in Franken, doch gleicht der Währungsverlust diese Mehrrendite bei Weitem aus.
Also haben Schweizer Investoren mit tiefen Zinsen und dem starken Franken zu kämpfen.
Ja, das haben sie. Mit beidem mussten sie umzugehen lernen.
Schweizer Pensionskassen wurden dadurch in ihrer Portfolioallokation etwas kreativer.
Inwiefern?
Sie sind im internationalen Vergleich beispielsweise stärker in alternativen festverzinslichen Wertpapieren wie Insurance Linked Securities, also Versicherungsverbriefungen, und Cat Bonds, Katastrophenanleihen, investiert. Praktisch alle Schweizer Pensionskassen haben beträchtliche Summen in diese Anleihen investiert, während es im restlichen Europa weniger der Fall ist.
Ist die starke Nachfrage nach Immobilien auch ein Resultat davon?
Ja. Mit Investitionen in heimische Immobilien lassen sich Renditen zwischen 3 und 4% erzielen, die darüber hinaus in Franken – sprich: ohne Währungsverlust – generiert werden. Für eine derartige Rendite im Anleihenbereich müsste man auf das High-Yield- Segment zurückgreifen, was Kreditrisiken mit sich bringt.
Neben Immobilien nahmen auch Investitionen in Infrastruktur zu. Weshalb?
Infrastrukturanlagen haben eine sehr lange Laufzeit und schütten einen attraktiven Coupon aus.
Anlagen, die stabile und planbare Einnahmen generieren, sind aus Sicht von Pensionskassen besonders interessant.
Was halten institutionelle Investoren von den hohen Bewertungen im Tech-Sektor?
Die meisten institutionellen Anleger investieren in globale Aktien und nicht spezifisch in Sektoren oder Themen wie Technologie.
Das gilt auch für das Thema ESG?
ESG ist ein sehr weiter Begriff. Alle institutionellen Investoren unterliegen in ihren Anlageentscheidungen gewissen Einschränkungen, die mit ESG zu tun haben. Aber gerade in diesem Bereich gibt es von Land zu Land grosse Unterschiede. Heute gibt es aber nur ganz wenige Ausnahmen von Ländern, in denen ESG unter institutionellen Investoren weniger ein Thema ist.
Die USA gehören zu diesen Ländern?
Ja, aber auf lange Sicht wird sich dies ändern.
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