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UBP in der Presse 16.01.2017

Die Akteure der Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells

Die Akteure der Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells

Die Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells scheint – abgesehen von den Beschlüssen der grossen Zentralbanken – das derzeit am häufigsten kommentierte makroökonomische Phänomen zu sein.


Bei dieser Neuausrichtung müssen zwei Probleme angegangen werden. Erstens: Der Anteil der Investitionen am BIP-Wachstum war in der Vergangenheit hoch und nimmt nun zugunsten des Konsumsektors ab. Zweitens: China kann sich nicht mehr damit zufrieden geben, einfach nur billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, und wendet sich allmählich den Exporten mit höherer Wertschöpfung zu.

Obwohl die öffentliche Debatte unter den Ökonomen immer noch im Gange ist, sind ihre Auswirkungen auf Börsen und Unternehmensstrategien bereits jetzt deutlich spürbar: In den letzten fünf Jahren haben die Sektoren des „neuen“ Chinas – Konsum, Technologie und Dienstleistungen – diejenigen des „alten“ Chinas, nämlich Industrie, Energie und Rohstoffe, deutlich und in regelmässigen Abständen hinter sich gelassen. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der strukturelle Wandel tatsächlich vonstattengeht.

Für die Entwicklung der chinesischen Unternehmen gibt es zahlreiche Beispiele, doch das anschaulichste ist sicherlich dasjenige von Lenovo. Dieses Unternehmen war ursprünglich ein kleiner PC-Hersteller für die lokale Kundschaft, bevor es 1996 Marktführer in China, einige Jahre später dann in Asien und 2013 die weltweite Nummer 1 wurde. In diesem Zeitraum produzierte es zuerst Desktops, dann Laptops und stieg schliesslich in die Herstellung von Mobiltelefonen und Servern ein. Das Unternehmen musste sich einem Rebranding unterziehen, um sich einen international ansprechenden Markennamen zu geben. Es hat sich solide Kompetenzen angeeignet, um seine Produkte in den meisten Industriestaaten zu vermarkten und zu vertreiben. Das Image des Konzerns hat aufgrund der schlechten Börsenperformance der letzten zwei Jahre zwar leichte Risse bekommen, doch tut dies der Beispielhaftigkeit der Geschichte keinen Abbruch, birgt sie doch einen Grossteil der strategischen Elemente, die die Akteure der Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells systematisch in den anderen Sektoren anwenden. Diese strategischen Leitlinien sind Innovationswettbewerb, Beherrschung des Heimmarktes und gezielte Akquisitionen im Ausland.

Erstens die Innovation. Sie ist in vielen anderen Ländern willkommen, doch am äusserst hart umkämpften chinesischen Binnenmarkt stellt sie ein Unterscheidungsmerkmal dar. Lenovo verzeichnete am Heimmarkt eine erstaunlich hohe Anzahl an „Premieren“. So stellte das Unternehmen den ersten PC mit chinesischer Zeichenkodierung oder den ersten Pentium-Prozessor her, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Dadurch übernahm Lenovo die Führung in diesem Wachstumssektor, und dies in einem Land, das von den niedrigen Herstellungskosten profitieren konnte. Die chinesischen Internetriesen Tencent und Alibaba tun es dem Lenovo gleich und investieren beträchtliche Summen in die neuen Dienstleistungen. Sie gehören in China zu den grössten Investoren in F & E und führen heute beispielsweise die weltweite Innovation im Bereich elektronischer Zahlungssysteme an. Die Zeit, wo ihre Strategie darin bestand, ausländische Innovationen für den chinesischen Heimmarkt zu kopieren, ist vorbei. Diese Unternehmen sind heute Vorreiter in ihrem Sektor.

Das zweite Element ist das strategische Interesse am Heimmarkt. In vielen Segmenten – und aufgrund der wachsenden Bedeutung des Konsums – ist der Heimmarkt so gross, dass es den chinesischen Unternehmen bereits ausreicht, diesen Binnenmarkt zu beherrschen, um sich eine Spitzenposition in den Weltranglisten zu sichern. Xiaomi wurde zu einem der grössten Smartphone-Hersteller weltweit, noch bevor es sein erstes Gerät exportierte – und dies dank dem phänomenalen Erfolg seiner Telefone auf dem chinesischen Festland. Als dieses Start-up mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und der Absatz stockte, stieg Huawei – das als Sieger aus dem Wettkampf um lokale Marktanteile hervorging – in die Top 5 der Welt auf. Sollte Huawei seinen Glanz verlieren, ist davon auszugehen, dass einer seiner Konkurrenten sofort seinen Platz einnimmt. Unter die Weltbesten haben es jüngst auch Marken wie Oppo und Vivo geschafft, die vor 12 Monaten international noch unbekannt waren, sich aber rasch am Heimmarkt durchzusetzen vermochten.

Dieses Muster ist auch in anderen Sektoren zu beobachten. Die TV-Marken Hisense, TCL und Skyworth haben einen Anteil von je 15% am Heimmarkt, der ungefähr 160 Millionen Fernseher pro Jahr darstellt und von dem sich die nationalen Marken den Löwenanteil sichern. Die Qualität der besten Produkte verbessert sich stetig und nähert sich den internationalen Standards an – auch wenn diese Marken noch nicht mit den südkoreanischen oder japanischen Herstellern konkurrieren können.

Dieser Aufstieg in der Wertschöpfungskette könnte sich fortsetzen. Comac, der Hersteller des ersten kommerziellen Kurzstreckenflugzeugs Chinas, kann auf eine beträchtliche Binnennachfrage zählen, um seine Produktpalette auszubauen. Das erste Modell des Unternehmens, der ARJ 21, ein Kurzstreckenflugzeug mit 90 Sitzplätzen, wurde bereits mehr als dreihundertmal verkauft. Der Gesamtbetrag belief sich auf über USD 11 Milliarden (offizieller Preis). Die Käufer waren praktisch alles Chinesen. Comac nutzte diesen Erfolg und kündigte jüngst an, es werde gemeinsam mit Russland ein Langstreckenflugzeug bauen. Boeing und Airbus fühlen sich noch nicht bedroht, räumen aber ein, dass auf lange Sicht eine reale Gefahr besteht.

Das dritte strategische Element sind Akquisitionen. Das Tempo der Übernahmen ausländischer Unternehmen durch chinesische Marktführer scheint sich beschleunigt zu haben. Die Automobilhersteller nehmen gezielt ehrgeizige Akquisitionen ins Visier. So Geely hat Volvo gekauft und Dongfeng Motors wurde Teilhaber von PSA. Lenovo hatte seiner Zeit das PC-Geschäft von IBM übernommen und damit Anteile am internationalen Markt erworben. Die Automobilhersteller wenden dieselbe Strategie an. Geely nutzte das Know-how von Volvo, um einen Wagen ausschliesslich für den chinesischen Premium-Markt zu bauen. Ausserdem eröffnete der Konzern eine Volvo-Fabrik in China, in der günstige Modelle für den US-Markt produziert werden. Tsinghua Unigroup hatte noch grössere Ambitionen und akquirierte die Halbleiterunternehmen Spreadtrum, RDA und Powertech. Unlängst stiessen aber seine Übernahmepläne sowohl bei potenziellen Akquisitionszielen als auch bei den jeweiligen nationalen Regierungen – in Taiwan und in den USA – auf grosse Skepsis. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Widerstand einen Konzern wie Tsinghua bei seinen Übernahmebestrebungen bremsen wird, aber seine langfristigen Pläne deswegen nicht grundsätzlich ändern. Auf China entfällt mehr als ein Viertel der weltweiten Nachfrage nach Speicherchips. Die Erhöhung der heimischen Produktion ist daher eine nationale Priorität.

Obwohl die einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich sind, haben alle diese Unternehmen eines gemeinsam: Sie profitieren von der Neuausrichtung des chinesischen Wirtschaftsmodells hin zum Konsum und nutzen ihren Anteile am Heimmarkt, um international in Segmenten Fuss zu fassen, die für chinesische Unternehmen neu sind. Dies ist einer der Gründe, weshalb der Anteil Chinas am Welthandel stetig steigt. Trotz der berechtigten Sorgen über die Verfassung des Finanzsektors scheint dieser allgemeine Trend genug stark verankert zu sein, um anzudauern.

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Mathieu Nègre
CFA, Head of Global Emerging Equities

Expertise

Globale Aktien

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